Persönliches, Technik, Internet, Glück, Aufbruch, Träume Leben, Heimat, Sprache, Frauen und Männer, Neuer Deutscher Film, Rhythmus, Bewegung, Zeit, Film, Abschweifung, Verspieltheit, Erinnerung, Vergangenheit, Schuld,
Subjektivität, Objektivität, Kunst


Sender: rscholz@Informatik.Uni-Bremen.DE
To: rrr@dds.nl

Subject: Reitz portrait script
From: Raymond Scholz

Dear Reinder,

Fortunately I could 'decipher' my notes on the Reitz' portrait completely! Only the last note I made is mysterious to me, I wrote
down:

Welt -- Kunst
| \
| \
Thema \
Form (Sch–pfung von Menschen)

I have no clue what this should express. Next time I will use complete
sentences for my notes...

The notes are mainly in chronological order as they appeared in the
portrait. Quotations by Reitz are "double-quoted". Most of them aren't
literal, but the sense should be preserved. Things, that came to my
mind while watching the portrait and writing down the notes are in
[brackets].

The portrait itself was made at Reitz' home, probably last winter on
a nice day (outside it was snow-white). I think, it was said that
Reitz lives in an outskirt of Munich. The interior of his home was
friendly bright, a piano and many books or scripts could be seen. One
painting in his home 'hit me like a hammer': It was the famous
portrait of the artists, Fr. Cerphal showed to Juan on the attic of
the Fuchsbau! I'm starting to confuse fiction and reality (see the
notes about this theme)... We could also see Reitz surfing through the
Internet and taking a letter to a letter-box by bike. (These are rather
unimportant facts, I guess.)

As I warned you, the text is still written in German. I hope the
umlauts (I think that was the right term) will make their way through
the Internet...


Den Lebenslauf zum Kunstwerk machen (Peter Buchka, 1996)


Screened on local TV station Bayern 3 on 02.11.97. Length: 45 min.



Persönliches, Technik, Internet:

Reitz' Vater war Uhrmacher mit Interesse an Telefon- und Radio Technik. [Dies spiegelt sich im Uhrmacher Robert in Heimat, bzw. in Paul Simons Interessen wider. Auch das Hochzeits-Telefongespräch von Anton Simon könnte man als Beispiel nennen.]

Reitz selbst interessiert sich auch für technische Erungenschaften, z.B. Filmkameras, filmische Experimente. [Widergespiegelt in den drei 'Jungfilmern' Rob, Reinhard und Stefan und ihren technischen Experimenten (VariaVision)]

"Das Internet ist die neueste Form der Romantik." [Diese Aussage habe
ich noch nicht ganz erschlossen, vielleicht meint Reitz das vielfältige, verspielte, mythenhafte Wesen des Internets. Reitz vergleicht sein Interesse am Internet mit den Interesse seines Vaters an der Radiotechnik.]



Glück, Aufbruch, Träume:

Man befindet sich ständig auf der Suche nach dem Glück, das Glück ist immer anderswo.

Unglück ist das Festhalten an bestehenden Dingen, Situationen. Glück ist der stetige Wechsel, das Aufbrechen zu neuen Ufern.

Die Träume eines Menschen und die Realität befinden sich in einem stetigen Abgleich, wobei die Träume eine selbstgeschaffene Realität darstellen.

Der Aufbruch ist eine ständige Stimulanz, das Ankommen selbst nicht mehr. [Dies führt zu einer stetigen Suche, Unruhe.]

[Diese Motive spiegeln sich deutlich in Heimat und DZH wider, können als ein Leitmotiv angesehen werden.]



Leben:

"Das Leben selbst ist ein Kunstwerk, unser Auftrag ist es, Zufälle in
den Lebensplan zu integrieren. Dies ist eine künstlerische Arbeit."
[Reitz selbst macht mit Heimat und DZH Lebensläufe zu Kunstwerken. Er
sieht aber jeden Menschen selbst als Künstler, als Erschaffer seines
persönlichen Lebenslaufes.]



Heimat:

"Leute die von Heimat sprechen, sind meist die, die sie verloren haben."

Heimat ist nicht intakt, stellt keine Idylle dar. [Damit widerspricht Reitz z.B. der allgemeinen Auffassung des Begriffs 'Heimatfilm'.]

Es besteht die Hoffnung auf eine menschliche Selbstverständlichkeit, die das Schlimmste verhindert. [Dies erzeugt eine Geborgenheit in der Heimat, die einen auf der Bahn des Lebens hält.]



Sprache:

Ein Unterschied von Heimat zu den bisherigen Filmen Reitz' war der Gebrauch von Dialekt. ["Die Reise nach Wien" spielt ebenfalls im Hunsrück, es wird jedoch kein Dialekt gesprochen. Der Dialekt schafft eine authentische Athmosphäre, der Zuschauer vergißt leichter, das er einen Film betrachtet, bekommt einen anderen Zugang zu den Charakteren.]

"Die Entdeckung der Muttersprache war gleichbedeutend mit der Entdeckung des erzählerischen Talents."



Frauen und Männer:

"Frauen sind nicht die besseren Menschen, sie finden oft einen Weg,
durch den Dschungel des Lebens, der dem der Männer vorzuziehen ist."

Frauen können Unvereinbares vereinbaren.

Eine Selbstfindung der Männer kann zu einer Rückkehr zur Mutter / Muttersprache führen. [Auch dieses Motiv findet sich in Heimat bzw. DZH]




Neuer Deutscher Film:

Eine der Maximen des Neuen Deutschen Films war die Darstellung des privaten Lebens.

Der Neue Deutsche Film schuf einen Zusammenhang von persönlichen Geschichten zu nationaler Geschichte. [Ein guter Beleg dafür sind die zahlreichen Referenzen in DZH (siehe Web-Site). Ein anderes Beispiel ist "Deutschland im Herbst" (mehrere Regisseure, u.a. auch Reitz), das die Ereignisse und Folgen der Schleyer-Entführung / Landshut Geiselnahme und ihre Wirkung auf das Leben einzelner Menschen beleuchtet.]

"Dieses Jahrhundert war ein Jahrhundert der Umstürze und Zerstörungen." [Reitz sieht sich selbst als 'Zerstörer' bzgl. filmischer Regeln und Inhalte.]



Rhythmus, Bewegung, Zeit, Film:

Es erfolgt eine Rhythmisierung des Menschen, der den Film sieht, die
Bewegung dabei ist der Lebenslauf. [Vielleicht ein Grund für die
Faszination, den Suchtfaktor von Heimat, DZH.]

Das persönliche Leben ist im Gegensatz zum allgemeinen Leben [Zeitgeschichte] nur schwer zu kategorisieren.

Die Lebenszeit ist die wichtigste Kategorie. [Reitz setzte diese Ansicht mit seiner Vergangenheit als Kind eines Uhrmachers in Verbindung.]

"Der Grund für einen Film darf NIE der zeitliche Hintergrund sein, aber KEIN Film darf ohne zeitlichen Kontext entstehen." [Heimat und DZH sind also nicht ausschließlich Filme über die Epochen, in denen sie spielen.]



Abschweifung, Verspieltheit:

Reitz' Filme besitzen eine epische Erzählkunst, eine hohe Detailgenauigkeit.

Abschweifung wird als Erzählkunst verwendet. [Die Detailgenauigkeit von Reitz' Filmen belegt diese Aussage. Reitz' erste Filme dagegen waren durch eine hohe Dynamik und Geschwindigkeit gekennzeichnet. Er selbst sagt, daß er "früher Geschwindigkeitsexperte war und heute Langsamkeitsexperte ist".]

Das Spielen (oder Verspieltheit) gewinnt eine immer größere allgemeine Bedeutung, z.B. auch beim Filmemachen. [Reitz gibt zu, daß er auch privat der Faszination des Abschweifens erlegen ist, dies vermittelt ihm ein Gefühl von Weite.]



Erinnerung, Vergangenheit, Schuld:

Nur mit Erinnerung lassen sich nicht alle Dinge bewahren. Museen, Bibliotheken, o.ä. bewahren Vergangenes. Die Anordnung dieser Dinge schafft eine neue Fiktion, Erfundenes und Gefundenes mischen sich zu einer neuen Wirklichkeit. [Reitz erhebt keinen Wahrheitsanspruch auf alle Dinge, die in seinen Filmen behandelt werden. Er vermischt Realität und Fiktion.]

"Vergangenes kann nicht abgetan werden." Reitz bezieht dies auf den Begriff der Schuld und spricht davon, daß neben den drei Dimensionen des Raumes die Dimension der Zeit zu beachten ist. In diesem Raum läßt sich Schuld nicht tilgen, sie bleibt darstellbar durch die Dimension der Zeit. [Diese sehr interessante Betrachtung, die im übrigen konform mit Einsteins Relativitätstheorie geht, ist z.B. mit der Schulddiskussion des deutschen Volkes bzgl. der Zeit des Dritten Reichs in Beziehung zu setzen.]



Subjektivität, Objektivität, Kunst:

Ein Film muß auch als Mittel der Aufklärung genutzt werden. Dies
geschieht moralisch und subjektiv, denn ein Film kann nicht objektiv
sein.

Ein Film dient als Erkenntnisinstrument. [Dies gilt sowohl für den
Künstler als auch für den Betrachter.]

Ein Künstler kann nicht wegschauen.

Früher war das Schöne die Kunst, heute verbirgt Schönheit die
Wahrheit. Deshalb muß die Schönheit zerstört werden. [Reitz sieht dies
im Zusammenhang mit den Idealen des Neuen Deutschen Films und nennt
das Stichwort 'Bürgerschreck'.]



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